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Granulare Gesellschaft – Granulares Recht?
Individualität und normative Leitbilder in der Datengesellschaft
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Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft lässt nahezu täglich neue Geschäftsmodelle entstehen, die auf der Sammlung und Auswertung großer Datenmengen beruhen. Das Spektrum reicht von personalisierter Werbung über individualisierte Versicherungstarife bis hin zur personalisierten Medizin. Aus soziologischer Perspektive wird unterdessen die Auflösung kollektiver Kategorien zugunsten fein ziselierter Unterschiede beschrieben und die Entstehung einer „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) diagnostiziert. Die juristische Erforschung dieser Entwicklungen befasst sich bislang zumeist mit der Frage, welche Rahmenbedingungen die Rechtsordnung für die im Entstehen begriffene Datengesellschaft setzt oder setzen sollte. Kaum beachtet wird dagegen, dass die „Verdatung“ des Individuums und seiner sozialen Beziehungen auch tiefgreifende Folgen für die Architektur der Rechtsordnung selbst und den Umgang des Rechts mit Individualität haben könnte.
Bislang greift die Rechtsordnung vielfach auf typisierende Regelungen zurück, die sich an normativen Modellgrößen, etwa dem „Durchschnittsverbraucher“ oder dem „vernünftigen Menschen durchschnittlicher Tüchtigkeit“, orientieren. Die „persönliche Gleichung“ (Oliver W. Holmes) des Individuums, findet dabei in der Regel keine Berücksichtigung. Aus ökonomischer Sicht sind Typisierungen in erster Linie ein Instrument zur Reduktion von Komplexitätskosten. Unter den Bedingungen von Big Data könnte die Frage nach der „optimalen Komplexität“ (Louis Kaplow) von Rechtsnormen und der Granularität der Rechtsordnung insgesamt neu beantwortet werden. Bislang konnte ein Mehr an Einzelfallgerechtigkeit nur um den Preis geringerer Rechtssicherheit und höherer Komplexitätskosten erzielt werden. Künftig könnten „granulare“ Rechtsnormen eine radikale Personalisierung der Rechtsordnung ermöglichen und das Verhältnis von Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit, Individualität und Gleichheit im Recht neu bestimmen.
Im Rahmen eines auf fünf Jahre angelegten Forschungsvorhabens, das von Prof. Dr. Christoph Busch geleitet wird, geht es darum, die Voraussetzungen und Folgen einer möglichen „Granularisierung“ des Rechts in der Datengesellschaft zu verstehen. Dabei soll in Zusammenarbeit mit Gruppe von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein neuer und umfassender Forschungsansatz entwickelt werden, der neueste Arbeiten zur „Personalisierung des Rechts“ aufgreift und mit historisch-vergleichenden, rechtstheoretischen, ökonomischen, soziologischen und medientheoretischen Forschungssträngen zu einer neuen und übergreifenden und Perspektive verbindet.
Das Forschungsvorhaben wird von der VolkswagenStiftung durch einen Momentum Grant (2019-2024) gefördert.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website von Prof. Dr. Christoph Busch.